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“Yeah, Yeah, Yeah” – mehr als diese drei Worte braucht es nicht, um die Musik eines Jahrzehnts auf den Punkt zu bringen. Die Verwerfungen, welche der Rock’n’Roll auslöste, der wenige Jahre zuvor aus den USA nach Europa gekommen war, konnte auf Europas Musiker nicht ohne Einfluss bleiben. Viele der Musiker, welche die 1960er-Jahre prägten, beriefen sich auf die enthemmende Wirkung des Rock’n’Roll, wenn sie die Ursprünge ihrer Musik beschrieben. Während die Rolling Stones gut mit der Bezeichnung “Rockband” leben können, lassen sich die Beatles mit ihrer Innovationsfreude und ihrer Vielfalt kaum unter einer Spartenbezeichnung subsummieren.
Nordamerika war auch in der Musik nichts anderes als ein Melting Pot. Viele Stilrichtungen, teils im Zuge der Besiedlung mitgebracht, teils in der indigenen und in der schwarzen Musik vorgefunden, ließen in den USA eine große Diversität von Musikströmungen entstehen. Neben dem Rhythm and Blues ist es der Soul mit den wichtigsten Vertretern Otis Redding und James Brown. Vor allem Letzterer verlieh mit Selbstbewusstsein und provozierender Betonung seiner Sexualität der schwarzen Bürgerrechtsbewegung einen “Sound”, der später zum Funk wurde und der im Vergleich zum Jazz als die “gefährlichere” Spielart der schwarzen Musik galt. Und dies, obwohl Brown selbst, für viele enttäuschend, kein Mitglied der Bürgerrechtsbewegung, sondern ein Anhänger Richard Nixons war.
Musikalisch ist das Jahrzehnt in den USA die Zeit der politischen Bewegungen. Musik ist in jenen Jahren politisch, denn die Songs der Singer-Songwriter wie Joan Baez, Arlo Guthrie oder Bob Dylan WAREN politisches Engagement, weswegen die Bezeichnung “Folkmusik” für keinen dieser Musiker zutrifft. Die weiße Bürgerrechtsbewegung befand sich im “Marsch auf Washington” (1960), als Joan Baez ihre ersten Songs spielte, wie auch die Hippiebewegung und ihre pazifistisch und spirituell inspirierte Musik ohne den Krieg auf Vietnam nicht entstanden wäre. Eine ganze Generation drückte ihren Protest musikalisch aus, wie er sich auch in den Soundtracks zu Filmen jener Zeit äußert, etwa in der Musik von Steppenwolf zu Easy Rider oder von Simon & Garfunkel zu Reifeprüfung. Nur eine Band, die Beach Boys, zelebriert mit ihrem Surf- und Collegesound das unbeeinträchtigte Leben der weißen Mittelklasse in Kalifornien. Im Jazz beschritt John Coltrane, der zuvor mit Miles Davis Kind of Blue aufgenommen hatte, mit seinem bahnbrechenden Album A Love Supreme vollkommen neue Wege und leitete vom Modalen Jazz zur Richtung des Free Jazz über. Seine Soli sowie sein exzessiver Stil beeindruckten Jimi Hendrix, der lange in verschiedenen Jazz-Formationen gespielt hatte, bevor seine Solo-Karriere begann. Ähnlich wie Hendrix und Jim Morrison, der Frontmann der Doors, starb auch Janis Joplin mit 27 Jahren an Drogen, Tabletten und Alkohol. Joplin, die als Singer-Songwriterin begann und zu Rock, Soul und Blues überging, zählte neben Dusty Springfield zu den wenigen weißen weiblichen Soul-Stimmen jener Jahre. Viele der wichtigsten Musiker dieses Jahrzehnts spielten auf den Festivals von Monterey (Kalifornien) und Woodstock (New York).
Experimentell wurden die Beatles bereits mit den Alben Rubber Soul und Revolver und damit nur wenig später als Frank Zappa mit seiner freakig-dadaistischen Performance Concerto for two Bicycles (1963). Zappa verstand sich allerdings als Gegenbewegung, wie die im Umkreis von Andy Warhol entstandene Band The Velvet Underground mit Musikern wie John Cale und Lou Reed, die ähnlich wie Buffalo Springfield mit Neil Young, Stephen Stills und David Crosby ex post als musikalisch höchst einflussreiche, jedoch kommerziell erfolglose Gruppierungen gelten.
Der Lounge Jazz und Bossa Nova verdanken sich Einflüssen aus den Südstaaten und Südamerika. Mit nur einem Album The Girl from Ipanema werden Stan Getz, João und Astrud Gilberto berühmt. In the Shadow of Motown, wie ein Film über jene berühmte Black Music-Firma heißt, arbeiteten Diana Ross und Marvin Gaye und der damals elfjährige Stevie Wonder und wärmten ihre Karrieren für das nächste Jahrzehnt bereits auf.