Musik der 20er Jahre

Die Goldenen Zwanziger wurden nicht ohne Grund derart reich benannt, denn das Nachkriegsdeutschland dürstete es nach Frohsinn und Verarbeitung. Auch die Wirtschaft erhielt einen universellen, weltweiten Aufschwung. Wie eine aufgehende Rose setzte eine Blütezeit in der Kultur und Wissenschaft, aber auch in der Kunst ein, zu der die Musik ihren wesentlichen Beitrag leistete. Die Musik der 1920er Jahre spiegelt diese Blütezeit und alle Ereignisse der vorangegangenen Jahre in ihrer eigenen Weise wider. Die Kunst per se, aber auch die Musik drängte die Scham zurück, setzte den neuen Selbstwert einer starken Frau in den Vordergrund und das Leben in Großstädten in Szene. Die Goldenen Zwanziger erhielten nicht zuletzt deswegen auch den Beinamen „Die wilden zwanziger Jahre“. Die Musik der 1920er Jahre ist geprägt von Weltvergessenheit und legerem Stil, der seinen Ausgangspunkt nicht nur in den USA, sondern auch in Berlin fand.
 Die revolutionäre Entwicklung und Verbreitung auch selbstgebauter Radioapparate ebneten für Musiksendungen den weitreichenden Weg. Diese begannen mit dem ersten Konzert, das 1920 durch den Rundfunk ausgestrahlt wurde. Zu Beginn der 1920er Jahre erfreute sich vor allem Tanzmusik größter Beliebtheit. Die Ausgelassenheit der „Verrückten Zwanziger“ zeigte sich im ausgelassenen Foxtrott zur sogenannten lachenden Klarinette in Stücken wie „When My Baby Smiles At Me“ von Ted Lewis & His Band. Alsbald fand eine Veränderung des Foxtrotts statt, der zu seiner wilden Zeit passen wollte. Mit dem immer beliebter werdenden Jazz aus den USA entwickelte sich daher auch der Shimmy, der als Shimmy-sha-wabble oder Hootchy-Kootchy bildhafte Namen erhalten sollte („mit dem Hintern wackeln“). Es dauerte daher nicht lange, bis auch in Wiesbaden eine Jazz-Band gegründet wurde und auf den Erfolgszug aufsprang: „Jazz Band – The Original Piccadilly Four“.
 Nur ein Jahr später hielten auch die amerikanischen Big Bands in Deutschland Einzug. Hierunter zählten vor allem der King of Jazz: Paul Whiteman & His Orchestra, das nicht nur zehn, sondern gute 35 Musiker zählte. Mehrere Songs stiegen zu den Nummer-Eins-Hits der 1921er Jahre auf. Der Mix aus Jazz und Orchester traf den Zeitgeist der Goldenen Zwanziger, in denen die Menschen sich neu und lebensfroh definieren wollten. Auch die Schnelllebigkeit in der Neuen Sachlichkeit spiegelte die Musik der 1920er Jahre tonal wider. Speziell in Amerika wurde das bizarre Bild schwarzer Jazz-Bands in Bars für ausschließlich weißes Publikum zur Normalität. Auch hier zeigte sich der extreme Wandel dieser Dekade.
 Auch im Bereich der weiblichen Präsenz auf der musikalischen Bühne: Noch immer waren sie selten, doch Fanny Brice sollte auf dem Broadway der New Yorker „Ziegfeld Follies“ zu einer der ersten Frauen zählen, denen die Goldenen Zwanziger zum Erfolg verhalfen. Im deutschsprachigen Raum folgte ihr Fritzi Massary, welche aus Wien stammte. Josephine Baker brachte daraufhin ab 1925 den Durchbruch als Charleston-Star, während die Charleston-Premiere in Form eines gleichnamigen Tanzmusikstücks am Broadway-Theater schon zwei Jahre zuvor stattfand. Dieser originelle, mitunter schon akrobatisch zu nennende Tanzstil stellte die komplette Musikszenerie der verrückten Golden Twenties mit all Ihrer stilvollen Schamlosigkeiten und frivolen Arten und Weisen dar. Josephine Baker war zudem aufgrund ihrer Genetik personalisierte Figur des Umschwungs, da sie als Kind eines weißen Vaters und einer afroamerikanischen Mutter geboren wurde. Sie wurde zum weltweiten Megastar.
 Stilvolle, wilde Songs mit Charleston-Charakter mischten sich auch mit Gassenhauern und Liedern aus der Arbeiterschaft, wie man es sich vor dem Krieg nicht einmal vorzustellen gewagt hätte. Grundsätzlich machten Songs mit witzigen Tendenzen, wie Eddie Cantors „I’ve Got The Yes! We Have No Bananas Blues“, einen Erfolgshit aus. Darunter zählten auch die in den 1927er Jahren aufkommenden Comedian Harmonists als das Vokalensemble des 20. Jahrhunderts. Aber auch schlichte Melodien mit komödiantischen Einschlägen in Form von Operetten waren wesentlicher Bestandteil der Musikkultur der 1920er Jahre. Diese wild-schönen Twenties sollten mit der Uraufführung von Bertold Brechts „Dreigroschenoper“ und den Anfängen des Weltstars Marlene Dietrich in die 1930er Jahre übergehen.