Geschichte der Klassischen Musik

Der Begriff klassische Musik wird sehr vielschichtig gebraucht, es gibt keine eindeutige Definition. Hier wird er als Begriff bzw. Zeitabschnitt der europäischen Musikgeschichte verwendet, der mit der alten Tradition des Gebrauchs der Musik vorrangig zu kultischen Zwecken brach und diese stattdessen als künstlerische Ausdrucksform etablierte.
 Die Musik ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst und entwickelte sich gemeinsam mit der Sprache. Sie entstand und diente zunächst vor allem der Unterstützung und Untermalung kultischer und ritueller Handlungen. Im antiken Griechenland fand sie erstmals nachweislich Verwendung zur Unterstützung dramatischer Handlungen im Theater. Aus dieser Zeit sind auch erste musiktheoretische Abhandlungen überliefert.
 Im europäischen Mittelalter galt Musik verstärkt wieder der Begleitung liturgischer Handlungen. Typisch dafür waren die sogenannten Gregorianischen Gesänge. Ab der Gotik fand die Orgel bei der Begleitung der Gesänge zunehmende Verwendung. Im weltlichen Bereich besangen die Troubadoure und Minnesänger die höfische Liebe. Mit dem Singspiel „Ordo virtutum“ hinterließ uns die vielseitig interessierte Nonne Hildegard von Bingen das erste Musikdrama. Gemeinsam mit der besonders in Frankreich im 14. Jahrhundert entwickelten „Ars nova“ (Mehrstimmigkeit) fand hier ein Übergang von rein kirchlicher Musik hin zu einer allgemeinen künstlerischen Ausdrucksform ihren Anfang.
 Das Zeitalter der Renaissance (15. und 16. Jahrhundert) brachte den Durchbruch zur polyphonen Vokalmusik. Auch fand das Volkslied zur geselligen Unterhaltung rasch Verbreitung. Geistliche Werke (Messen, Motetten) wie weltliche Kompositionen (Madrigal) in ihrer Mehrstimmigkeit erlebten vor allem im franko-flämischen Gebiet und später in italienischen Stadtstaaten ihre Blütezeit. Kennzeichnend war jetzt eine eindeutige Benennung des Komponisten gegenüber der bisher verbreiteten Anonymität der Urheber.
Einen Aufschwung verzeichnete in diesen Jahren ebenfalls die Instrumentalmusik. Beliebteste Instrumente stellten Laute, Gambe, Orgel und Blockflöte dar.
 Es folgte im Barock (1600 bis 1750) ein Zeitalter von Generalbass und Kontrapunkt. Künstler, wie z.B. Johann Sebastian Bach, Claudio Monteverdi oder Georg Friedrich Händel, versuchten mittels der Musik eine zunehmende Vielfalt und auch Gegensätzlichkeit ihrer Welt und die daraus resultierenden Spannungen zum Ausdruck zu bringen. Dazu schufen sie die modernen Tonarten Moll und Dur. Jetzt ließen sich dramatische Auseinandersetzungen, Bewegtheit und Entwicklung rein musikalisch darstellen. Gleichzeitig setzten die Musiker und Komponisten dazu nun stärker auf den instrumental begleiteten Einzelgesang. Die verschiedenen künstlerischen Ausdrucksweisen (Lied und Chor, Tanz, Instrumentalstück) wurden zu größeren Kompositionen zusammengeführt. Lieder und Chöre brachten die Kantaten hervor, Tänze wurden zu Suiten zusammengestellt, Oratorien und Sonaten aufgeführt. Den Höhepunkt dieses Zusammenwirkens dramatischer und musikalischer Stilmittel stellte die Oper dar.
 Georg Philipp Telemann, Leopold Mozart und die Bach-Söhne leiteten ab etwa 1730 mit wieder ausgeprägten harmonischen Elementen und einem empfindsamen Stil in eine neue musikalische Epoche hinüber. Die sogenannte Klassik (1750 bis 1830) wurde besonders von Komponisten wie Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart geprägt. Der Generalbass galt nicht mehr als zeitgemäß, in den sinfonischen Orchestern spielten deutlich mehr Musiker als zur Barockzeit und die Melodik folgte nun stärker einer der Volksmusik entlehnten einfacheren Harmonik mit klaren und gefälligen Formen. Die Kontraste innerhalb der Stücke (Tempowechsel, überraschende Effekte, Bass versus Sopran) nahmen gleichzeitig zu. Klarinette und Klavier traten als neue Instrumente in Erscheinung. Streichquartette, Sinfonien und Solokonzerte dominierten nun als musikalische Formen. Die Musik gehörte seit jener Zeit viel ausgeprägter dem weltlichen als dem kirchlichen Raum an.
 Den Wandel in eine heraufziehende romantische, gefühlsbetonte und sich von der Natur inspirieren lassende Periode der klassischen Musik charakterisierte vor allem das Schaffen Ludwig van Beethovens. Märchenhafte und mystische Sujets fanden Eingang in das künstlerische Schaffen, das eine zunehmende Vielfalt an Ausdrucksmitteln zu entwickeln und zu verwenden verstand.
Lied, Liederzyklen und lyrische Charakterstücke wurden als neue Gattungen sehr erfolgreich eingeführt (z.B. Franz Schubert, Frederic Chopin und Robert Schumann). Die Gitarre fand wieder verbreiteten Einzug ins klassische Genre und die Sinfonieorchester wurden weiter vergrößert. Komponisten wollten nicht mehr nur Geschichten, sondern Geschichte erzählen. Entlang der gesellschaftlichen Entwicklung nationalisierte sich auch die Musik, Nationalopern, große Musikdramen und programmatische sinfonische Dichtungen kamen zur Aufführung (Weber, Wagner, Smetana, Verdi, Tschaikowsky u.a.). Viele banden Elemente der volkstümlichen Kunst und des Volkslebens ihrer Zeit mit ein. Mit den Walzern und Tänzen der Strauß-Familie in Wien entwickelte sich eine Richtung der klassischen Musik, die als Anfänge der Unterhaltungsmusik angesehen werden kann.
 Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts boten neue technische Entwicklungen viele neue Möglichkeiten harmonischer, rhythmischer und klanglicher Mittel und führten zur Entwicklung vieler unterschiedlicher Strömungen. Unterhaltungsmusik, populäre Musik, Filmmusik und andere Varianten erlangten zunehmende Bedeutung. Im Bereich der klassischen Musik experimentierten die Künstler mit impressionistischen Elementen (Debussy, Ravel u.a.), Atonalität (Schönberg), avantgardistischen Stilen und elektronischen Klängen (Cage). Daneben entstanden an barocke, romantische oder klassische Musik angelehnte Werke (Schostakowitsch, Prokofiew, Hindemith), die die klassische Musik mit moderner Tonalität und neuen Stilrichtungen, wie etwa dem Jazz, verbanden. Der europäischen Operette lief das amerikanische Musical den Rang ab. Die ständige gegenseitige Beeinflussung der unterschiedlichen musikalischen Kunstrichtungen führte zu einem bemerkenswerten Stilpluralismus.

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